Reicht eine schriftliche Generalvollmacht zur Vertretung in einem Erbscheinsverfahren aus?
Das OLG Bremen bejahte dies in seiner Entscheidung vom 14.09.2021, 5 W 27/21 und entschied:
Im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins kann sich der Antragsteller vertreten lassen. Hierfür ist eine schriftliche Vollmacht ausreichend. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung kann bei einem nicht geschäftsfähigen Antragsteller durch einen Vorsorgebevollmächtigten erfolgen.
Sachverhalt:
Der in einer Pflegeeinrichtung verstorbene Erblasser hat seine Ehefrau und seine Tochter hinterlassen. Die Ehefrau - die Beteiligte zu 2.) - leidet ausweislich eines Attestes vom 30.04.2020 an einer Parkinson-Demenz (ICD G21.1) und ist nach einer ärztlichen Stellungnahme vom 24.08.2021 deswegen nicht mehr geschäftsfähig. Die Ehefrau hatte am 22.03.2013 eine schriftliche Vorsorgevollmacht errichtet, in der sie den Erblasser, ersatzweise ihre Tochter - die Beteiligte zu 1.) - u.a. dahingehend bevollmächtigt hatte, sie gegenüber Gerichten bei allen denkbaren Anträgen und Verfahrenshandlungen zu vertreten. Nach ihrem weiteren Inhalt sollte die Vollmacht eine rechtliche Betreuung ersetzen. Gestützt auf diese Vollmacht und ein von dem Erblasser gemeinsam mit der Beteiligten zu 2.) verfasstes gemeinschaftliches Testament errichtete die Beteiligte zu 1.) am 16.11.2020 vor einem Notar in Vollmacht für die Beteiligte zu 2.) einen Erbscheinsantrag, ausweislich dessen der Erblasser von der Beteiligten zu 2.) als seiner alleinigen Erbin beerbt worden ist. Die hierzu notwendige eidesstattliche Versicherung gab die Beteiligte zu 1.) ebenfalls in der Urkunde ab. Die Rechtspflegerin des Nachlassgerichts wies durch Verfügung vom 14.12.2020 darauf hin, dass dem Erbscheinsantrag u.a. deswegen nicht entsprochen werden könne, weil eine Stellvertretung bei der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. § 352 FamFG nicht zulässig sei, denn dabei handele es sich um eine Wissenserklärung. Nachdem die Beteiligte zu 1.) zunächst die Einrichtung einer Betreuung in Aussicht stellte, begehrte sie später eine rechtsmittelfähige Entscheidung. Mit Beschluss vom 18.05.2021 lehnte das Nachlassgericht den Erlass des Erbscheins ab. Zwar sei bei der Antragstellung im Erbscheinsverfahren durchaus eine Stellvertretung zulässig, doch gelte dies nicht für die nach § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG erforderliche eidesstattliche Versicherung. Gegen diesen Beschluss, der dem Notar am 27.05.2021 durch Zustellung bekannt gemacht worden ist, wendet sich dieser für die Beteiligte zu 1.) mit seiner am 25.06.2021 beim Nachlassgericht eingegangenen Beschwerde.
Entscheidungsanalyse:
Der 5. Zivilsenat des OLG Bremen hat entschieden, dass das Nachlassgericht die Erbscheinserteilung nicht mit der bisher gegebenen Begründung verweigern darf. Der Senat weist zur Begründung zunächst darauf hin, dass sich der Antragsteller im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins vertreten lassen kann. Hierfür sei eine schriftliche Vollmacht ausreichend. Der Senat ist daher nicht der Auffassung, dass die in beglaubigter Abschrift vorgelegte maschinenschriftliche Vorsorgevollmacht des Erblassers vom 22.03.2013 ungeeignet ist. Nach § 10 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 FamFG können sich Beteiligte im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, soweit - wie hier - die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht geboten ist, durch einen volljährigen Familienangehörigen vertreten lassen. Daher sei die Beteiligte zu 1.) postulationsfähig. Das OLG erläutert, dass § 11 S.1 FamFG hinsichtlich der von ihr beizubringenden Verfahrensvollmacht die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht verlangt. "Schriftlich" bedeutet nach Auffassung des Senats hierbei nicht eigenhändig geschrieben, sondern erfordert nur die eigenhändige Unterschrift unter einer z. B. maschinenschriftlich abgefassten Urkunde. Der Senat betont außerdem, dass die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. 352 Abs. 3 S. 3 FamFG bei einem nicht geschäftsfähigen Antragsteller durch einen Vorsorgebevollmächtigten erfolgen kann. Daher umfasse hier die zulässige Stellvertretung der Beteiligten zu 2.) durch die Beteiligte zu 1.) im Verfahren auf Erteilung des Erbscheins auch die Möglichkeit, die nach § 352 Abs. 3 S. 3 FamFG notwendige eidesstattliche Versicherung abzugeben. Zweifellos umfasse hier die vorliegende Vorsorgevollmacht auch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Das OLG ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beschwerde zur Zurückverweisung der Sache an das Nachlassgericht führt.
Praxishinweis:
Das OLG Bremen wertet die Generalvollmacht auf und stärkt den Generalbevollmächtigten.
Es nimmt in dieser Entscheidung zu der umstrittenen Frage Stellung, ob die eidesstattliche Versicherung durch einen Vorsorgebevollmächtigten erklärt werden kann (dafür: OLG Celle, Beschluss vom 20.06.2018 - 6 W 78/18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.04.2018 - 25 Wx 68/17) oder ob es notwendig ist, zu diesem Zweck einen Betreuer als gesetzlichen Vertreter des Betroffenen zu bestellen. Das OLG schließt sich der ersten Auffassung an und begründet dies auch mit dem Grundsatz der Subsidiarität der Betreuung, wonach ein Volljähriger keines Vertreters bedarf, wenn ein wirksam Bevollmächtigter seine Angelegenheiten wahrnehmen kann.
Das OLG Bremen stärkt somit den Generalbevollmächtigten.
Beschluss des OLG Bremen vom 14.09.2021, Az.: 5 W 27/21